Mit oder durch Krebs ins eigene Leben kommen

– die Bedeutung der Gefühle aus Sicht einer Onkologin

Der nachfolgende Text stammt von einer Onkologin, mit der Hans Rebhan bis zu seinem Tod zusammengearbeitet hat. Er sollte in seinem Buch erscheinen, das er bis zu seinem Tod leider nicht mehr fertigstellen konnte.

“Seit 1997 bin ich in meiner eigenen Praxis für Hämatologie und Onkologie tätig und habe viele tausend Patienten begleitet. Gemeinsam mit Hausärzten, Fachärzten und Einrichtungen kämpfe ich für ein besseres Überleben für meine Patienten. Auch wenn ich schulmedizinisch ausgebildet bin, folge ich einem ganzheitlichen Ansatz. Anders als noch vor 15 Jahren, ist dieser Ansatz auch in Fachkreisen anerkannt. Wissenschaftliche Studien bestätigen die Verlängerung der Lebenszeit unter Verbesserung der Lebensqualität durch das Zusammenwirken verschiedener Therapieformen. Wir helfen unseren Patienten dabei, im Leben zu bleiben und wieder ins Leben zu finden. Ich kenne Hans Rebhan und seinen therapeutischen Ansatz, mit dem er seit über 10 Jahren arbeitet. Seinen Ziff-Prozess halte ich für richtig und interessant. Gerne kann ich etwas dazu sagen, welche Bedeutung ich der emotionalen Ebene und damit der Aufarbeitung von Gefühlen bei Krebserkrankungen beimesse.

Bei einer Krebserkrankung geht es immer ums (Über-)Leben. Ähnlich wie Hans Rebhan habe ich beobachtet, dass eine solche Krankheit nicht plötzlich und unerwartet auftritt. Der Mensch und auch die Krebserkrankung haben in vielen Fällen eine Vorgeschichte. Viele Patienten  übersehen die Vorzeichen, erkennen sie nicht oder nehmen sie nicht wahr.  Dabei gibt es immer Vorzeichen und auch Vorerkrankungen. Bei Brustkrebs beispielsweise haben viele meiner Patientinnen vorher jahrelang unter Migräneanfällen gelitten. Hier decken sich meine Beobachtungen vollkommen mit denen von Hans Rebhan. Für mich ist das Thema von Brustkrebs, dass Frauen sich ihrer weiblichen Seite häufig nicht bewusst werden und diese Seite auch nicht leben. Sie funktionieren und sind immer für andere da.  Die Frage an meine Patientinnen, „Was tun sie für eigentlich für sich selbst?“ überrascht meist.  Frauen, die an Brustkrebs erkranken, tun oft alles für andere und vergessen dabei die Frau, die sie sind. Sie übersehen, dass dieses Frausein wichtig ist und auch gelebt werden will. Sie verraten damit ihr eigenes Leben. Das sind meine Beobachtungen zu dieser Erkrankung. Für mich ist es wichtig, die “Frau” ins Leben zu bringen, d.h. den weiblichen Aspekt. Auf eine kraftvolle und positive Weise – nicht die, die sich aufopfert, sondern die kraftvolle, aktive Person, die mit sich achtsam umgeht und ihre Gefühle und Wünsche lebt.  Für viele Menschen bedeutet Leben zu funktionieren. Vor lauter „Funktionieren“ spüren sie nicht mehr, was für sie in ihrem Leben wichtig ist, oder gehen darüber hinweg. Sie achten zu wenig auf ihr Gefühl, dass ihnen schon vor Ausbruch der Krankheit signalisiert, dass etwas nicht stimmt bzw. stimmig ist – in ihrem Körper und in ihrem Leben. Ich glaube, dass bei vielen meiner PatientInnen der Körper von seinen Gefühlen abgeschottet ist. Im Laufe des Lebens verschließen wir uns vor immer mehr vor unserer Fähigkeit zu fühlen. Es kommt immer mehr zu Überlagerungen, die sich als Schichten übereinander legen. Wie kann man da erwarten, dass man durch diesen Kokon noch an seine Gefühle kommt? Erst einmal müssen diese Schichten gelöst werden, um dann einen freien Weg zu den Emotionen zu haben . Zu Heilungen kann es vor allem dann kommen, wenn der Weg zu den Emotionen frei ist.

Die Diagnose „Krebs“ bedeutet für viele einen Schock. Plötzlich stehen sie auf der anderen Seite des Lebens. Sie sind nicht mehr auf der gesunden Seite und beobachten, was auf der „kranken“ Seite geschieht. Die Krebserkrankung bringt sie vom Beobachten und Funktionieren weg und direkt an das Thema „Leben“ und „was brauche ich wirklich“ heran. Auch der Tod wird plötzlich sehr real. Eine Flut von negativen  Emotionen wird ausgelöst, die alles überschattet und lähmt. Das führt häufig zur Erstarrung. Viele verschließen sich emotional. Ein Teil der Patienten entwickelt Wut und viele negative Gefühle, wieder andere verfallen in puren Aktionismus und wollen plötzlich alles ändern. Um diese Ängste und negativen Emotionen nicht übermächtig werden zu lassen,  verschließen sich viele Menschen vor ihren Gefühlen. Sie machen zu. Das ist im ersten Moment durchaus verständlich und richtig, um die richtigen Schritte für sich einzuleiten. Man bekommt so viele Informationen und Empfehlungen von allen Seiten, dabei muss man erst einmal selbst die Diagnose verkraften. Diese Prozesse laufen, wie  in einem Karussell. Alles ist in Frage gestellt – das Leben, das Verhalten, die Bedeutung, die man den Dingen oder Menschen gegeben hat. Es ist unheimlich schwierig, sich wieder „einzunorden“ – den eigenen Kurs festzulegen und wieder Halt zu bekommen. Je nachdem, ob die Diagnose heißt, „der Krebs ist heilbar“ oder ob sie heißt „ich muss mit ihm leben, weil es keine Heilung gibt“, gestaltet sich der Prozess des Annehmens unterschiedlich schwierig.  Aus meiner Sicht sollte man den Patienten über die schulmedizinische Behandlung Zeit verschaffen und dann mit anderen Methoden – z. B. dem Ziff-Prozess – die emotionale Ebene bearbeiten. Das finde ich wichtig.

Gefühle spielen aus meiner Sicht eine wichtige Rolle bei dieser Form der Erkrankung. Es liegt wohl sowohl an unserer gesellschaftlichen Entwicklung als auch an der Entwicklung der einzelnen Menschen, dass Gefühle immer weiter hinten angestellt werden. Wir haben zu funktionieren, zu machen und zu tun. Die ganz zarten Hinweise, die uns das Leben und unser Körper gibt, nehmen wir dadurch nicht mehr wahr. Viele wollen oder können die Vorzeichen einer Erkrankung nicht mehr sehen – sie gehen einfach darüber hinweg. Erst wenn der Krebs Symptome auf körperlicher Ebene zeigt – wenn er Schmerzen bereitet oder größere Tumore sich bilden, kommen die Menschen zu mir. Auch wenn viele Menschen schon lange vorher Krebszellen in sich haben – sie haben es einfach nicht bemerkt. Häufig fehlt uns die Achtsamkeit für unseren Körper, unseren Geist und unsere Seele.  Das ist etwas was wir nicht gelernt haben. Erst jetzt in jüngster Zeit versucht man auch bei Erkrankungen wie Krebs im Rahmen der Therapie wieder auf tiefere Gefühlsebenen zu kommen. Ich sehe im Ziff-Prozess die Möglichkeit, sich und seine Gefühle auf tieferer Ebene wieder selbst kennen zu lernen und sich zu regulieren. Ich bin sehr sehr froh über jeden Prozess, der uns ein Stück weg bringt von der krankmachenden Lebenseinstellung, dass wir Wesen sind, die zu funktionieren haben.

In der Schulmedizin hat man lange Zeit geglaubt, dass man heilen kann, wenn man den gesamten menschlichen Code entschlüsselt hat. Jetzt hat man gesehen, dass das so nicht funktioniert. Man kennt zwar den menschlichen Code, aber es gibt viele  Einflüsse, die neben der Genetik eine Rolle spielen. Es wird immer häufiger erkannt, dass epigenetische* Prozesse im Körper  durch neurologische Prozesse stimuliert und an- oder abgeschaltet werden können.  Insofern trifft Wissenschaftlichkeit auf Gefühlswelten. Wir werden in den nächsten Jahren sehr viel mehr in diese Richtung arbeiten. Der Ziff-Prozess ist eine Möglichkeit, diese Prozesse zu beeinflussen. Mittlerweile haben wir über die Molekulargenetik schulmedizinisch viele Angebote um auf die speziellen Krebsarten einzugehen. Das Zeitalter der Immuntherapie hat begonnen. Das verschafft den Patienten vor allem längere Überlebenszeiten. Es verzögert und lindert die Krankheit und schafft damit Lebensqualität, führt aber letztlich noch nicht zur Heilung. Aus meiner Sicht sollten die PatientInnen die gewonnene Lebenszeit nutzen, um auch auf den anderen Ebenen Veränderungen herbeizuführen. Wie bereits erwähnt, ist das große Thema des Krebses das Thema „Leben“. Krebs hat seine eigene Philosophie – er will um jeden Preis leben. Er ist eine absolute Überlebensmaschine und dabei intelligent. Auf molekulargenetischer Ebene können wir bereits nachweisen, wie viele verschiedene Wege er geht, um Resistenzen zu entwickeln, wodurch die verabreichten Medikamente unwirksam werden.  So können Krebszellen weiter überleben bis sie schließlich den Körper für sich vereinnahmen. Den Krebs auf diesen vielen Wegen mit nur einer Methode (Schulmedizin oder Alternativmedizin) zu begegnen und ihn zu bremsen,  halte ich für schwierig. Auch wenn wir den Tumor herausschneiden, hat er oft schon längst Zellen gestreut und kommt wieder. Wenn wir den Körper medikamentös behandeln und dabei Medikamente verwenden, die nicht durch die Blut-Hirnschranke gehen, haben wir oft später Metastasen im Gehirn gefunden. Durch die Entwicklungen, die die Schulmedizin in den letzten Jahren genommen haben, haben die Patientinnen noch mehr Zeit, um auf allen Ebenen an ihrer Heilung und der Verbesserung der Lebensqualität zu arbeiten. Derzeit arbeiten wir in meiner Praxis neben den schulmedizinischen Methoden zur Behandlung von Krebs auch im Bereich der Sport- und Bewegungstherapie, der Ernährungstherapie, der Psycho-Onkologie,  mit Osteopathie und mit Methoden der Tiefenentspannung. Diese Ergänzungen zur schulmedizinischen Behandlung halte ich für sehr wichtig. Der nächste Schritt wäre zurück zur Aufarbeitung der Gefühle und hin dazu, Zellinformationen zu erhalten und Zellen wieder zu verändern. Da könnte der Ziff-Prozess eine Möglichkeit sein.

Jeder hat seine Saga des Lebens und seine Geschichte des Krebses – wie weit sie zurückreicht, wissen wir nicht. Es gibt sowohl eine emotionale Vorgeschichte, eine Vorgeschichte der Seele und eine körperliche Vorgeschichte. Eine ganzheitliche Therapie setzt sinnvoller Weise auf allen drei Ebenen an. Gewohnter Weise sind Patienten vor allem bereit, eine Behandlung auf der körperlichen Ebene zu beginnen. Ich halte Krebs (je nach Stadium) durchaus für heilbar, wenn alle Ebenen im Heilungsprozess berücksichtigt werden. Dafür braucht es auch die Bereitschaft des Patienten, den nächsten Schritt auf die weiteren Ebenen zu gehen und sich dafür zu öffnen. Es geht darum,  jeden verständlich zu machen, dass Hilfe auch auf emotionaler Ebene erforderlich ist.. Viele meiner Patienten versuchen den Krebs zu ignorieren – nach dem Motto „der Krebs geht mich nichts an“. Auch wenn das ein absoluter Schutz sein soll, das geht gar nicht. Mit dieser Haltung, können wir bei den Patienten auch mit schulmedizinischen Methoden keine positiven Veränderungen bewirken.  Andere versuchen gegen den Krebs anzugehen in Form von: „Ich sag doch meinen Zellen jeden Tag, was sie tun sollen – dann soll der Krebs jetzt auch verschwinden“. Auch diese Haltung ignoriert die Botschaft und damit den möglichen Gewinn der Krankheit, den jemand für sein Leben nutzen könnte.  Patienten übersehen dabei auch, dass sie zuhören sollten, was der Krebs ihnen zu sagen hat.  Auch hier kann der Ziff-Prozess  helfen, da durch ihn die Information und Botschaft der Zellen transportiert wird mit der Frage „was brauchen die Zellen, um wieder gesund zu werden“. Ein positiver Krankheitsverlauf braucht eine eigene positive Haltung dem Leben gegenüber und die  Entscheidung, gesund werden zu wollen und dafür etwas zu verändern – vor allem ist innerer Frieden wichtig.

Bei einer Krebserkrankung ist es aus meiner Sicht wichtig, dass man ganz grundsätzlich eine positive Veränderung für sich in sein Leben integriert. Das ist ein wesentlicher Teil des Heilungsprozesses und eine Chance, die man hat. Es wäre gut, wenn es gelingt, die Patienten auf die Ebene zu führen, dass sie den Krebs im Körper mit allem was dazu gehört grundsätzlich akzeptieren. Die Krebserkrankung hat in alle Lebensbereiche Auswirkungen – es geht darum, auch etwas Positives aus der Erkrankung zu gewinnen, dann hat man ganz viel gewonnen an Lebensqualität und -zeit. Wie gut wäre es, diesen Gewinn auch ohne Erkrankung in seinem Leben fest zu etablieren? Dadurch könnten die Patienten ein ganz anderes Leben gestalten, mit einer Qualität, die es vorher nicht hatte. Die Offenheit für solche Prozesse ist enorm wichtig – sich selbst anzunehmen, die Krankheit anzunehmen und sein Leben anzunehmen, so wie es ist.

Ich selbst werde in nächster Zeit genauer beobachten, wie es gelingen kann und was es bewirkt, Krebs tatsächlich anzunehmen und zu sagen – „ich lebe mit Dir“ – und die Betonungen liegen dabei auf „lebe“ und auf „mit“. Oft geht es darum, die Rolle des Beobachters des eigenen Lebens aufzugeben und damit aus der Blockierung heraus wieder in den „Lebensfluss“ zu kommen. Das kann im Inneren neue Impuls auslösen und Heilungsprozesse des Körpers anregen. Aus meiner Sicht bedient die Arbeit von Hans Rebhan einen weiteren wichtigen Aspekt zur Genesung. In der Schulmedizin ist man oft passiv – man nimmt die Behandlungen hin – viele Patienten fühlen sich ausgeliefert. Hans Rebhan macht mit seinem Ziff-Prozess das Gegenteil – er aktiviert den Patienten. Der Patient bekommt über die Information dazu, was die Zellen brauchen, um heilen zu können, die Möglichkeit, selbst tätig zu werden. Mit der Umsetzung der Information kann er seinen Körper im Heilungsprozess direkt unterstützen – der Patient trägt selbst etwas zu seiner Heilung bei und übernimmt ein Stück weit auch Verantwortung dafür. Ich halte es für sehr wichtig, dass PatientInnen dem Prozess nicht hilflos gegenüberstehen, sondern auch während der Erkrankung die eigenen Möglichkeiten ihr Leben zu gestalten, erkennen. Wichtig ist, selbst etwas für sich zu tun. Ich empfehle allen, aktiv im Kampf gegen Krebs zu bleiben. Damit meine ich nicht den aggressiven Kampf – man kann alles in Liebe tun –  ich meine den aktiven Kampf aus Liebe zu sich selbst. Ich empfehle auch, sich auf allen Ebenen zu informieren und die Prozesse des inneren Friedens einzubeziehen – ich glaube, darauf kommt es überhaupt im Leben an.”